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Le route vers Paris – Von Stuttgart in 3 Tagen nach Paris auf dem Rennrad

Wir können euch mal wieder einen Gastbeitrag von Sandy aus Stuttgart zeigen. Er hat Anfang Juli zusammen mit zwei Freunden die Langstreckendistanz Stuttgart – Paris gemeistert. Wie es ihm dabei erging, beschreibt er in diesem Post und weiter unten im Interview mit den Jungs vom Antritt-Podcast.
Nächste Woche werden wir euch seine Packliste zeigen, mit der er die 3-Tages-Tour bestritten hat. Schaut also am Besten nochmal vorbei, wenn ihr selbst einen Brevet plant. Update: Hier könnt ihr sie finden.

Text und Fotos: Sandy Weckenmann

Einleitung

Im Jahre 2014 sind wir zu fünft von Stuttgart über die Splügenpass bis zum Comer See nach Italien geradelt und haben auch hier auf shutuplegs.de darüber berichtet.
Diese Fahrradtour hat Lust auf mehr gemacht. Viele Kilometer und Höhenmeter in kürzester Zeit zurückzulegen. Ziele gibt es von Stuttgart viele wie z.B. Wien, Berlin oder bis ans Meer in Belgien.
Uns hat es motiviert ca. 600km am Stück zu fahren und unsere eigenen Grenzen neu zu definieren.
Wir einigten uns auf Paris, weil wir die französische Landschaft erkunden wollten.
André schätzte für Freitag ca. 120+ km, Samstag ca. 300km, Sonntag ca. 170km um unser Ziel zu erreichen. Er betonte die Wichtigkeit von unserer mentalen Power und der unabdingbare Wille es zu schaffen: Ziel war es die gesamte Strecke in 48h zu schaffen und als Team in Paris anzukommen.

Tag 1: Stuttgart-Sillenbuch bis nach Gungstett

Distanz: 136,3km
Zeit in Bewegung: 6:01:13
Höhenmeter: 1.067m
Geschwindigkeit: 22,6km/h
GPS-Track auf Strava: https://www.strava.com/activities/626898480

Um ca 14:39 sind André und ich von Stuttgart losgefahren, um Norman in Perouse (bei Rutesheim/Leonberg) zu treffen. Wir sind absichtlich langsam losgefahren, um uns gut einzurollen und gleichzeitig die Kräfte zu schonen. Über die grünen Felder ging es bis nach Büsnau an Degerloch vorbei. Von dort aus radelten wir über die alte Rennstrecke von Stuttgart nach Leonberg.
Es war beinahe zu heiß, um das Fahrrad zu bewegen. Ab Leonberg entdeckten wir ein bewaldetes Tal, das uns nach Rutesheim brachte. Um ca. 16:40h haben wir Norman beim Bäcker in Perouse getroffen. Dort haben wir eine Brezel und selbstgemachte Riegel mit Honig und Nüssen als Stärkung gekauft.
Ab Perouse war es kurzzeitig sehr voll auf den Straßen, weil wir nun im Rush-hour von Porsche und Bosch uns befanden. Kurz vor Pforzheim wurde es dann wieder schöner:
Ca. 24 Grad bescherten uns optimale Fahrradbedingungen. Schöne Landstraßen durch den Wald erfreuten unser Bikerherz. In Pforzheim gab es einen Bankstop um ca. 17:43. Die Stadt Pforzheim war heiß, stickig und erneut mit viel Verkehr unangenehm. Wir freuten uns, als wir endlich wieder im Grünen waren. Es lief ganz gut und wir wollten unbedingt in Frankreich die erste Nacht pausieren. Eine Riegelpause in Ettlingen, um 18:57h, bescherte uns ein paar sonnige Momente direkt am Fluss der „Alb“. Die Altstadt von Ettlingen ist wunderschön und sehr zu empfehlen. Von dort aus ging es über ein langes, flaches Stück fast bis nach Rastatt. Dort konnten wir in einem Bistro eine Kleinigkeit zu Abendessen. Wir hatten schon beinahe 100km auf dem Tacho und wir fühlten uns alle fit, um weiter zu radeln.
Der Rhein war schon ganz nah und wir freuten uns riesig, unser Nachbarland Frankreich schon am ersten Abend zu erreichen.
Ab dem Rhein wurde es ländlicher, der Verkehr nahm ab und durch das schöne Elsas ging es über enge und gut asphaltierte Fahrradwege durch den Wald. Hier wäre schon ein sicherer Platz zum Übernachten gewesen, trotzdem wollten wir im Flow weiterradeln. Der Wind ließ nach und wir konnten noch einige Kilometer schaffen, bevor es langsam dunkel wurde. In einem kleinem Dorf installierten wir unsere Lichter. Wir wollten erneut 30 bis 60min radeln, um so weit wie möglich zu kommen. André hatte die gute Idee gehabt sein Zelt mitzunehmen, somit waren wir unabhängig vom Übernachtungsort.
Heute sind wir schließlich bis ca. 23h geradelt. An einem Sportfeld neben einer Schule in Gungstett haben wir einen guten und sicheren Übernachtungsplatz gefunden.
Es waren insgesamt 130km und über 1.000hm bei ersten Etappe. Die Nacht in Gungstett war angenehm warm im Zelt. Norman leistete sich als einziger eine kleine aufblasbare Matratze & Kopfkissen, Seidenschlafsack und eine Rettungsdecke. André hingegen hatte nur einen Schlafsack dabei. Um Gewicht zu sparen, hatte ich nur eine Rettungsdecke für die Nacht dabei. Außerdem wollte ich das Volumen von meinem Gepäck so gering wie möglich zu halten. Als Kopfkissen diente mir der Rucksack von Norman. Es war stockdunkel, als wir das letzte Mal die Sterne bewunderten. Leider mussten wir wahrnehmen, dass schon einige graue Wolken am Himmel zusehen waren,
trotzdem konnten wir gut und beruhigt einschlafen.

Tag 2: Gungstett bis nach Nettancourt

Distanz: 250,6km
Zeit in Bewegung: 11:38:52
Höhenmeter: 1.964m
Geschwindigkeit: 21,5km/h
GPS-Track auf Strava: https://www.strava.com/activities/627928520

Wir sind um 5:20h aufgestanden und haben ca. 30 Minuten benötigt, um das Zelt abzubauen und unsere Sachen zu packen.
Nach einer kurzen Nacht ging es um 05:55h weiter Richtung Westen. Pünktlich, als wir auf dem Sattel saßen fing es an zu regnen. Schon über Nacht hatte es zwei Mal leicht geregnet. Der Wetterbericht war eher schlecht vorhergesagt, obwohl er noch Anfang der Woche recht positiv aussah. Nach ca. 30 Minuten fanden wir eine kleine Bäckerei und genossen, dass erste französische „croissant“ und ein „pain au chocolat“. Dazu gab es ein Baguette mit Käse. Nach der Bäckerei fing es erneut stärker an zu regnen. André hatte als einziger von uns eine Regenjacke dabei. Norman und ich hatten nur eine Windjacke im Gepäck, diese war sofort nass und klebte auf der Haut. Es war unangenehm und kalt auf dem Rennrad, trotzdem wollten wir weiter Richtung Paris fahren.
Trotz Regen und heftigen Gegenwind kamen wir gut voran, obwohl wir nicht Windschatten fahren konnten.
Die Tour hatten wir mit Komoot geplant und der Track führte über wenig befahrene Landstraßen und teilweise über Fahrradwege immer horizontal nach Paris.
Auf dem Höhenprofil waren die zig Hügel nicht erkennbar. Es ging fast den ganzen Vormittag hoch und runter. Auf dem ersten hohen Hügel angekommen, ging es sofort wieder runter, um erneut wieder einige Höhenmeter hoch zu radeln. Vor Champenoux weißte André noch Norman auf Glasscherben hin. Ich war ca. 10m entfernt, als ich hörte das Luft aus meinem Hinterrad raus kam. Auf Grund des starken Gegenwind konnte mich, weder Norman noch André schreien hören. Ich konnte einige Meter bergab rollen bis die Luft komplett draußen war.
André und Norman waren schon außer Sichtweite und ich lief einige Meter an der Straße entlang. Bei jedem Auto was vorbeifuhr streckte ich meinen Daumen nach außen, weil nur André eine Luftpumpe dabei hatte. Jeder von uns hatte einen Ersatzschlauch zur Not dabei, Reifenheber, Minipumpen und Werkzeug teilten wir uns als Gruppe. Der Fahrer von einem kleinem weißen Van hielt an und nahm mich für 2-3 km mit, um so schnell wie möglich zu André und Norman zu kommen. Diese hatten erst spät mein Fehlen bemerkt und waren schon auf dem Rückweg, als ich in den kleinen Van mein Fahrrad verstaute. Der Fahrer konnte nur Französisch, aus diesem Grund haben wir uns mit Zeichensprache verständigt. Zwei Täler weiter traf ich schon auf den Rest vom Team. An der Seite der Straße konnten wir meinen Schlauch wechseln. Mein Mantel hatte einen Schnitt von ca. 5mm, dieser befand sich direkt in der Mitte vom Mantel. Wir legten nichts drunter, um den Mantel zu stabilisieren, trotzdem hat es gut funktioniert: „Herr Wolbold hätte sich einen 5 Euro Schein eingespannt“. Für das Mittagessen hielten wir bei einem Supermarkt. Es gab Käse und Baguette in Champenoux um ca. 13:00h. Endlich wurde es heller und wärmer. In der Sonne genossen wir die Stärkung, während wir die nassen Kleider trocknen konnten. Am Nachmittag ging es deutlich schneller voran, obwohl es weiterhin sehr windig war. Erst am Spätnachmittag waren wirklich stark erschöpft. Wir hatten zuerst geplant am heutigen Tag ca. 300km zu fahren. Der starke Regen, der ständige Gegenwind und die endlosen Hügelketten reduzierten unsere Tagesleistung enorm. Bei Kilometer 180 waren wir am Tiefpunkt unserer Reise. Die Energie war weg und wir mussten unser Tagesziel deutlich reduzieren. Vor einem großen, langem Anstieg machten wir eine lange Pause und haben unsere Beine hochgelegt und ein wenig relaxed, um Kraft für den nächsten Abschnitt zu bekommen.
Nur mühsam ging es den Berg hinauf. In Saint Mihiel stoppten wir bei einem Supermarkt, um ca. 1,5kg Taboulé zu kaufen. In der Sonne vor einer schönen Kathedrale gab es unser Abendessen. Wir hatten noch weniger als 250km auf dem Tacho, als wir unser Abendessen verzerrten. Wir wollten noch unbedingt über 40 weitere Kilometer fahren, damit wir am Sonntagabend Paris erreichen konnten. Nach dem Abendessen war es windstill und auf ein Mal war es auch nicht mehr so hügelig. Dies bescherte uns einen guten Schnitt und wir kamen flott voran. Auf ein Mal fühlten wir uns alle stark und voller Energie. Als wir 250km und über 2.400hm gefahren hatten, suchten wir einen Schlafplatz.
Kurz zu vor hatte es noch mal heftig geregnet, unter einem Baum konnten wir den Regen abwarten. Wir hatten schon Angst mit nassen Kleidern zu schlafen. Doch in der letzten halbe Stunde trocknete alles durch den Fahrtwind. In Nettancourt fanden wir einen öffentlichen Campingplatz. Dort bauten wir unser Zelt direkt neben einem Bach auf. Wir waren richtig erschöpft und stolz die 250km Marke geknackt zu haben.

Tag 3: Nettancourt bis nach Paris

Distanz: 213,0km
Zeit in Bewegung: 9:49:40h
Höhenmeter: 1.289m
Geschwindigkeit: 21,7km/h
GPS-Track auf Strava: https://www.strava.com/activities/629009161

Die zweite Nacht war deutlich kälter, weil wir direkt neben einem Bach geschlafen haben. Ich fragte in der Nacht nach einer zweiten Rettungsdecke, weil mir so kalt war. Norman teilte mit mir seine Rettungsdecke, dadurch war mir gleich deutlich wärmer und ich konnte noch etwas schlafen. Der Boden war außerdem hart. Es fühlte sich an wie ein Holzbrett. Die Nacht war kurz, unbequem und kalt, als um ca. 05:00h der Wecker den Schlaf beendete. Es war ca. 5:45h als wir losgefahren sind, weil dass zusammenpacken deutlich länger, als nach der ersten Nacht gedauert hatte. Das war schade, weil ich beinahe 30 Minuten in der Kälte warten musste, während Norman um das Zelt hantierte.
Etwas später während ich navigierte und auf den kleinen Bildschirm schaute, hatte ich meinen zweiten Platten, weil ich wahrscheinlich ein Holzstück auf der Straße übersehen hatte. Sofort war die Luft raus, dies demotivierte die ganze Gruppe, weil wir unbedingt vorankommen wollten.
Neben der Straße konnte ich mein Hinterrad im Zentrum von Charmant wechseln. Dafür leite ich mir den Ersatzschlauch von Norman aus, weil mein erster Ersatzschlauch nicht geflickt war. Ein alter Mann schaute aus dem Fenster und fragte, ob alles okay sei. Er bot uns Wasser für unsere Trinkflaschen an. Außerdem lud er uns zu einem Café ein. Bei Honigbrot und Orangensaft genossen André und Norman die Gastfreundlichkeit von dem netten, französischen, alten Pärchen, während ich mein Fahrrad in der Kälte reparierte. Der Mann hatte sogar einen Luftkompressor in seiner gut ausgerüsteten Werkstatt. Hocherfreut über die Großzügigkeit, die wir erfahren hatten, ging es wieder raus in die frische Luft. Erst um 6:30h waren wir wieder auf dem Fahrrad. Wir nutzen die windstille Zeit, um einige weitere Kilometer zu radeln.
Es ging über viele Hügelketten gegen Westen. Der Track führte uns über kleinere Seitenstraßen. Wir wollten unser Ziel auf jeden Fall erreichen, obwohl der Abstand zu Paris fast nicht schrumpfte. Erst gegen 10h wurde der Gegenwind wieder stärker. Dies forderte erneut unsere mentale Kraft, das Projekt durchzuziehen.
In einem schönen Dorf namens Montmirail konnten wir uns ein leckeres Baguette mit Brie und Paprika belegen. Wir unterhielten uns und konnten uns gut ausruhen, während wir das Treiben auf dem Dorfplatz genossen. Trotzdem bemerkten wir, dass unser Zeitplan ganz schön eng wurde, weil Norman schon am Sonntagabend den Zug zurücknehmen wollte. Auch am letzten Tag waren es über 1.300hm, dies kostete uns viel Kraft und Zeit.
Um ca. 17:43h waren es über 53km. Die Beine brennten und fühlten sich schwer, wie Blei, an.
Norman entschied sich den Nachtbus zu nehmen, somit konnte er mit uns bis nach Paris radeln, anstatt vor Paris mit einem Zug ins Zentrum zu fahren.
Nach knapp 53h sind wir bei Yilin (eine Bekannte von André) um ca. 20:15h angekommen.
Heute waren es erneut über 213km und ca. 1.300hm. Über den ganzen Tag hat es leicht bis stark geregnet, selten kam die Sonne raus. Die letzten 16km waren brutal anstrengend: die Beine waren schwer, die Kraft war weg und es regnete erneut stark.
Voller Dankbarkeit sind wir zufrieden in unserem Gästezimmer bei Yilin eingeschlafen, während es sich Norman im Bus nach Stuttgart bequem machte.

Fazit

Ich möchte mich für diese Reise bei meinen zwei Freunden André und Norman bedanken:
als Team haben wir diese große Distanz geschafft und komplett durchgezogen. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen und es hat uns zusammen geschweißt. Wenn wir die gleiche Strecke mit Anhänger oder Gepäcktaschen gefahren wären, hätten wahrscheinlich noch mehr nette Menschen kennengelernt und hätten mehr Zeit gehabt die Kultur und die Seitengassen zu erkunden. So stand die sportliche Leistung im Vordergrund, mehr hätte es mit diesem Trainingszustand nicht sein sollen.
Weitere Ausfahrten wie z.B. Stuttgart – Berlin oder Stuttgart – Wien sollten eher mit einem 4 Tagesplan umgesetzt werden, um die Strecke mehr genießen zu können.
Wer auch mal so eine Tour fahren möchte, kann sich an der Packliste von mir orientieren.
Jeder von uns hat etwas anders gepackt, z.B. das Zelt hat André getragen, er hatte deutlich am meisten Gepäck. Während Norman etwas weniger in seinem kleinem Rucksack getragen hat. Ich hatte nur meine Trikottaschen gepackt, siehe extra Post.

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Kompletter Track:
https://www.komoot.de/tour/10062938


Weitere Bilder findet ihr über Instagram mit dem Hashtag:
#stgt2paris

Sandy im Interview mit dem Antritt-Magazin:

In der Kategorie „Ausfahrt des Monats“ durfte Sandy im Antritt-Podcast ebenfalls über die Tour berichten. Das 6-minütige Interview könnt ihr auf detektor.fm anhören.