Text und Fotos von André Prangenberg.
Es war kurz vor sechs Uhr am vergangen Sonntagmorgen, die Dunkelheit noch nicht von der Sonne angetastet, da schlichen sich 150 Rennradfahrer hoch zum Kreuzweg im Schwarzwald. Lediglich das Surren der Ketten war zu hören während die Rücklichter der Räder langsam den Berg hinauf tanzten – eine beruhigende Stimmung am ersten Anstieg, der nicht der letzte bleiben sollte.
Die Vorbereitung: Ausreichend Nahrung und neue Mäntel
Vergangenes Wochenende nahm ich an meinem ersten Radmarathon teil, der Schwarzwald Super!, eine Herausforderung der Superlative, denn neben 260km in horizontale Richtung, sollten 6800 Meter in der Vertikalen überwunden werden. Dementsprechend angespannt war ich und bereitete mich mit großem Respekt auf die Ausfahrt vor. Im Vorfeld wurde ich auf die Problematik der Nahrungsaufnahme vor und während der Tour hingewiesen und so war ich gut ausgerüstet, ein dutzend Powerriegel und –gels in meiner neu angeschafften Oberrohrtasche, sowie Trockenfrüchte und Nüsse im Trikot. Auch ging ich dem Tipp nach mit neuen Mäntel zu fahren und da die beiden Schwalbe Durano Plus noch bei mir rumstanden wurden diese noch mühsam vorher über die Felgen gestülpt. Es konnte also nichts mehr schiefgehen.
Start am frühen Morgen und Einrollen in den Sonnenaufgang
Nach dem mein Zelt im Mietwagen verstaut war, rollte ich den kleinen Waldweg wieder zurück ins Dorf. Um kurz vor 5 bastelte ich dann mein Rad zusammen und stieß auf das erste Problem. Die Schaltungsaufhängung war auffallend locker – gebrochen? Nein, glücklicherweise nur lockere Schrauben und ein hilfsbereites Pärchen, die mir mit passendem Werkzeug aushelfen konnten – es sollte nicht das letzte Mal bleiben. Das Rad war also aufgebaut und so rollte ich mit meiner Rose an die Startlinie. Kurzes Foto, erster Stempel und los ging es.
Mit vollem Kohlenhydratspeicher ging es nach kurzem Einrollen dann schon das erste Mal bergauf. Am ersten von insgesamt elf Gipfeln begrüßten uns dann auch die ersten Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg über die Berge des Südschwarzwaldes zu uns bahnten. Wie bei Radtourenfahrten (RTFs) üblich, gab es auch beim Rennradmarathon die Möglichkeit Körner aufzutanken und was für eine. Neben Bananen, Äpfel und Gurken, gab es mit Marmelade und Schokolade belegte Brote, Nüsse, Kaffee, Tee, eine Art badische Spätzle mit Brühe und viel mehr. Und obwohl ich absolut keinen Hunger hatte, war klar, dass Nachtanken notwendig war um auch am Nachmittag noch aus dem Vollen schöpfen zu können und einen Hungerast zu vermeiden.
Weiter ging es, natürlich bergauf, durch die wunderschönen Landschaften des Schwarzwaldes. Auf der Goldstrecke war der Hochkopf der nächste zu bezwingende Pass und als dieser bezwungen war, waren bereits über 1600 Höhenmeter überwunden und ich nicht mehr allein. Beim Anstieg kam ich mit Manuel ins Gespräch, mit dem ich ein gutes Stück zusammenfahren sollte.
Ein geplatzter Schlauch wird gemeinschaftlich behoben
Schon zu Beginn hatte sich mein Rad ungewöhnlich angefühlt und insbesondere bei den Abfahrten war ein bei jeder Umdrehung Ungereimtheiten spürbar, die das Fahrgefühl beeinflussten. Von außen konnte weder ich noch Manuel das Problem ausfindig machen . Kurz vor dem nächsten Gipfel und der Verpflegungsstation passierte es dann, tock, Tock, TOck, TOCK, PÄNG. Nach einem lauten Knall war der Schlauch hinüber, der sich anscheinend zwischen Felge und Mantel gelegt hatte. Manuel kam direkt zurück und ein weißer VW-Bus, den ich vom Parkplatz am Startpunkt kannte, stand genau an dieser Stelle. Der nette Herr, der seine radelnde Freundin begleitete, stellte Reifenheber, Standluftpumpe und seine Hilfe zur Verfügung. Eine Warnung an dieser Stelle, der Schwalbe Durano Plus mag ja sehr stabil sein, doch genau diese Stabilität macht den Reifenwechsel zu einer nicht ganz so angenehmen Aktivität. Ein stabiler Spezialized-Reifenheber und der erste Ersatzschlauch fielen dem Mantelgummi noch zum Opfer bevor es endlich zur wohlverdienten Verpflegungsstation ging, wo erneut ein riesiges Buffet auf die Radfahrer wartete. Meine schwere Packung mit den getrockneten Feigen überließ ich nun schließlich der Allgemeinheit, es war auch kaum ein anderer Radfahrer mit so viel Essen wie ich unterwegs gewesen. Nun war es auch an der Zeit den Cola-Verzicht aufzuheben.
Nur Ankommen zählt
Irgendwann klangen dann die Glocken an den Hälsen der Schwarzwälder Bergziehen, die die Halbzeit einläuteten, jedoch nur was die Höhenmeter anging, denn es waren noch mehr als 130 Kilometer zurück zu legen. Den angepeilten Durchschnitt von 23-24 km/h hatte ich schon nach den ersten drei Bergen über den Haufen geworfen, denn dafür ging es einfach viel zu viel bergauf und bergab. Ankommen stand sowieso ganz oben auf der Prioritätenliste.
Der Aufstieg zum Kandel gilt mit seinen 8,8% Durchschnittsteigung auf 10,4 Kilometern als der schwierigste Gipfel bei dieser Tour und danach sind es ja auch nur noch 3 Gipfel, ein Kinderspiel – von wegen, nein eine Herkulesaufgabe. Ich hatte inzwischen so viel gegessen, dass ich mich an einem Gipfel fast übergeben musste, doch nach einigen Radkilometern mehr, hatte sich mein Magen wieder beruhigt und lieferte mir Korn um Korn um eine Umdrehung nach der anderen dem Ziel näher zu kommen.
Regen und Kälte sind der größte Feind des Radfahrers
Bis dahin waren die Abfahrten immer wieder eine wohltuende Erholung, doch das sollte sich schon bald ändern. Die aufziehenden Wolken hatten uns bisher nur einige Tropfen auf die Erde geschickt, doch das war nun vorbei. Es regnete sich ein und da ich das Gewicht einer Regenjacke eingespart hatte, folgten nun bitterkalte Abfahrten. Total durchgefroren wollte ich die letzte Verpflegungsstation vor dem Ziel schon gar nicht mehr verlassen. In meine Wasserflasche kippte ich neben Wasser inzwischen eine Hand voll Salz und Zucker und um wenigstens einen kleinen Kälteschutz zu haben, bastelte ich mir einen Schutzpanzer aus Pappe. Nass in der Scheune stehen half mir nicht weiter und so schwang ich mich wieder aufs Rad – eine Abfahrt, das kommt Freude auf.
Inzwischen fuhr ich viel lieber bergauf als bergab, obwohl das Erklimmen der Berge auch keine angenehme Angelegenheit mehr war. Und nun sollte es auf den höchsten Berg des Schwarzwaldes gehen, den Feldberg. Oben angekommen verschluckten mich dann auch noch die Wolken, so dass ich im Blindflug wieder ins Tal rauschte. Neben dem verringerten Halt auf den nassen Straßen versetzte ich mein Rad durch regelmäßige Zitterattacken noch zusätzlich in Schwingung. In meinem Kopf wuchs der Wunsch nach einer warmen Dusche und ich wünschte mir sehnlichst die Ziellinie herbei.
Der Regen wurde nicht besser, doch nun lag nur noch ein letzter Berg vor mir. Die aufkommende Idee eine vermutlich flachere Abkürzung zurück nach zum Startort Münstertal zu nehmen, habe ich schnell wieder verworfen. Lieber wieder bergauf fahren, dann wärmt mich mein Körper wenigstens und wenn es dann wieder bergab geht, ist es auch nicht mehr weit bis endlich heißes Wasser sich über meinen Körper ergießen kann.
Ich drückte mir den vorletzten Stempel auf der Hohtannhöhe, dem letzten Gipfel, in mein Kontrollheft, bekam noch eine Plastiktüte geschenkt, die ich mir über meinen durchgeweichten Papppanzer stülbte und so ging es dann die letzten 10 Kilometer hinab ins Tal.
Über das Glück der heißen Dusche nach dem Radrennen
Nach über 12 Stunden auf dem Rennrad, stand ich dann schließlich überglücklich unter der heißen Dusche, die ich gar nicht mehr verlassen wollte. Mein erster Radmarathon war zugleich ein Abenteuer und eine Grenzerfahrung, die mir sicher lang im Gedächtnis bleiben wird. Durchnässt und müde stellte ich mir zwischendurch die Frage nach dem Sinn des ganzen Unternehmens. Doch wenn ich jetzt zurück auf dieses Erlebnis blicke, weiß ich dass sich die ganzen Strapazen gelohnt haben.
Danke an die Organisatoren, die mit ihrer Arbeit solche Erlebnisse ermöglichen. Und auch vielen Dank an Manuel für seine mentale Unterstützung sowie Steffen, für die zweifache Unterstützung beim Reparieren meines Rads.
Super Schwarzwald.
Folgt André auf Instagram und seinem Blog Radrauschen