Die Region um Albstadt auf der schwäbischen Alb war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der führenden Industriestandorte für die Textilproduktion. Schon früh begannen die Bauern der Gegend auf den kargen Flächen der schwäbischen Alb Schafzucht zu betreiben. Für eine Bewirtschaftung durch Ackerbau war der Kalkstein-Boden des Mittelgebirges einfach zu nährstoffarm. So entwickelte sich schnell nach Einzug der Industrialisierung ein Zentrum für die Verarbeitung von Textilien mit mehreren hundert Textilfabriken. Doch durch steigende Lohnkosten begannen ab 1970 immer mehr Unternehmer ins Ausland abzuwandern und die stattlichen Industriebauten im Bauhausstil standen leer.
Mittlerweile hat sich der Fokus der noch in Albstadt ansässigen Unternehmen verändert. Statt textiler Massenware werden nun auf der schwäbischen Alb hochwertige und langlebige Spezialtextilien gefertigt.
So produziert everve seit diesem Jahr funktionale Radbekleidung. Bekannt wurde die junge Firma vor allem durch ihre me-Hose, die auf zwei angemeldeten Patenten basiert. Zum Einen ist es die erste Radhose, bei der man das Sitzpolster persönlich je nach Anforderung an Gewicht und Sattel konfigurieren kann. Das zweite Patent wurde für den Sitzbereich angemeldet. Durch eine zweilagige Konstruktion trocknet die Hose besser, auch das eine Neuheit.
Wir treffen uns mit Stephan Wolfer, einem der drei Gründer von everve, um mehr über das junge Unternehmen zu erfahren. Stephan führt uns durch die Produktion und wir bekommen die brandneue Herbst-/Winterkollektion vorab gezeigt. Mittlerweile sind die lange Trägerhose, das Langarmtrikot und die warme Windweste im Shop erhältlich.
Die Produktionsflächen von everve sind in einem größeren Fabrikgebäude zusammen mit anderen kleineren Textilunternehmen untergebracht. Bei der kleinen Führung durch die Gänge wird uns schnell klar, das hier in Albstadt die Textilproduktion zumeist noch familiär abläuft. So treffen wir auf Stephans Eltern, die Samstags auch mitanpacken. Einen Raum weiter stehen die Nähmaschinen, an denen die everve-Produkte entstehen. Knapp ein Dutzend spezialisierter Maschinen befinden sich hier, von denen jede eine andere Nähaufgabe übernehmen kann. Das ist auch der große Unterschied zu einer Haushalts-Nähmaschine. Während diese verschiedene Maschinenstiche kann, ist eine Industriemaschine auf einen einzigen Stichtyp spezialisiert und führt diesen in Perfektion aus.
In der Gegend steckt soviel Erfahrung in Sachen Textil, das die alten Maschinen seit über 40 Jahren genutzt und gepflegt werden, erzählt uns Stephan. Im nächsten Raum steht der Lasercutter der Firma everve. Auf dieser Maschine werden die verschiedenen Zuschnitte angefertigt. Der Laser fährt dabei ein im Computer entworfenes Schnittmuster ab und konfektioniert die Stoffbahnen entsprechend.
Die exakte Positionierung des Sitzpolsters in der Hose wird in einer mit schwarzen Vorhängen abgehängten Kabine übernommen. Dort werden unter Schwarzlicht auf der Hose die zu nähenden Bahnen aufgezeichnet, die die Näherin dann abfahren kann. Am Ende steht die fertige Hose mit exakt positioniertem Polster und die vorher gezogenen Linien sind nicht sichtbar. Die Farbe verschwindet dann aus dem Textil nach dem ersten Waschen.
Die drei Gründer Stephan, Andreas und Guido betreiben everve momentan in Teilzeit und gehen an drei Tagen noch ihren vorherigen Berufen nach. Donnerstag, Freitag und Samstag widmen sie sich dann everve. Vom Design über die Schnittentwicklung bis zur Fertigung sind sie für alle Produktionsschritte verantwortlich. Die komplette Produktion findet auf der Zollernalb statt und wird durch fachkundige, regionale Partner unterstützt. Stephan merkt man seine Leidenschaft und Kompetenz gleich an und so sind wir uns sicher, dass das nicht unser letzter Besuch in Albstadt war. Denn für die nächste Sommersaison werden die Gründer von everve sicher wieder einige überraschende und innovative Produkte vorstellen. Wir sind jetzt schon gespannt!
Weitere Infos findet ihr auf everve.cc.